Als ich zum erstem Mal zu „Me gustas tu“ komme, wird mir sofort eine Paella und einen Mango-Ananas-Drink vorgesetzt, eine Hand streckt sich mir entgegen, dann noch eine, und ich werde in ein halbstündiges Gespräch verwickelt. Ich sehe schon: Das ist keiner der Imbissstände, die sich am Openair St. Gallen jeweils so zahlreich finden. Das ist eine gelebte Ideologie. Und mit Ideologie meine ich nicht: „Wir verkaufen teures Essen, das nicht von den Grossverteilern kommt und nennen es Bio, weil das einem zeitgenössischen Lifestyle entspricht.“ Nein, damit meine ich etwas anderes. Aber lasst mich dazu etwas ausholen.
Ich habe während des ganzen Openairs immer wieder mit Jasmin, der Besitzerin von „Me gustas tu“, geredet, denn von ihrer Passion erzählt sie gerne. Erst am Sonntag aber finde ich die Zeit, mich mit ihr hinzusetzen und sie auszufragen. Aufgewachsen ist sie nämlich, als jüngstes Kind von Kriegsflüchtlingen, am Bodensee. Ihre Eltern wollten sich und die Familie selbst versorgen können, bauten also viel selber an und besassen eine Farm in Argentinien. „Wir haben selten im Supermarkt eingekauft. Meinen Eltern war es wichtig, Selbstversorger zu sein, und so haben sie mir auch die Wertschätzung der Sache vermittelt, die mir bis heute geblieben ist.“
Für ihren Essensstand, den sie dieses Jahr zum zweiten Mal am Openair St. Gallen hat, kauft sie alle Lebensmitteln bei regionalen Bauern und Lieferanten ein. Wenn man mit Jasmin durch die Küche geht, passiert es alle zwei Minuten einmal, dass sie einem zum Beispiel einen Bund Salbei unter die Nase hält – „Riech mal!“ Und zugegeben: Mir war bis dann nicht bewusst, dass Salbei schöne, blaue Blüten hat. „Bio ist für mich keine Modeerscheinung“, sagt mir Jasmin. „Es hat auch nichts mit teurem Essen zu tun. Für mich heisst ‚bio‘ ganz einfach ‚ursprünglich‘.“
Während ich also jeweils überhitzt, übermüdet und ausgehungert im Medienzelt am Openair sass, kam es oft vor, dass Nick mit einem Joghurt-Müesli von „Me gustas tu“ zurückkam. Und dieses Müesli war so gut, dass wir direkt einige unserer Tischnachbarn mit unserer Begeisterung ansteckten. Das ist so auch ganz im Sinne von Jasmin, denke ich. „Mit ‚Me gustas tu‘ will ich sagen: ‚Du bist mir wichtig!'“, erklärt sie mir. „Das heisst – klar kann man versuchen, den Hunger in der Welt mit Spenden zu verringern. Mein Ansatz ist es aber, besser junge Menschen dazu zu bringen, eine Ideologie zu leben. Ich finde es effektiver, wenn Menschen sich den Nahrungsmitteln bewusst sind – woher sie kommen, wie sie schmecken, was man mit ihnen alles machen kann. Das ist ein Wissen, das seit Jahrtausenden in den Köpfen der Menschen steckt. Wenn man es nicht weitergibt, geht es verloren. Schlussendlich geht es aber auch um Genuss: Geniesst euer Leben! Das Wichtigste haben wir hier am Openair – Nahrung und Musik.“
Nach dem Openair schreibt uns Jasmin in einer E-Mail: „Die funkelnden Augen meiner jungen, fantastischen Mitarbeiter – voller Lebensfreude und Glück, trotz anstrengender Arbeit. Auch ich fühlte mich sehr glücklich. So eine schöne intensive Gemeinschaft für einen kurzen Zeitraum. Ich sage immer wieder, wenn ich gefragt werde: Wir sind die tanzenden Köche.“